Ursula Poznanskis aktuelles Buch "Die Verschworenen" ist die Forsetzung
von "Die Verratenen" - des Buches, das mir letztes Jahr einige
schlaflose Nächte bereitete und nach dessen Ende ich verzweifelt
recherchierte, wie lange ich auf den zweiten Band würde warten müssen
(es wurde ein ganzes, nahezu unerträglich langes Jahr).
Dementsprechend
aufgeregt war ich, als ich "Die Verschworenen" dann endlich in den
Händen hielt. Und eins gleich vorab: das Warten hat sich auf jeden Fall
gelohnt!
"Die Kinder sind ein bebender Schatten im ersten Licht der Morgendämmerung."
Die sechs Verratenen, die nach
ihrer Flucht beim Schwarzdorn-Clan untergekommen waren, erlebten dort
zum ersten Mal, wie das Leben in der Außenwelt tatsächlich ist, lernten
die Natur und Überreste aus der Vergangenheit zu schätzen und erfuhren
vor allem, dass die Sphären nicht die Weltverbesserer sind, als die sie
sich ihren Bewohnern gegenüber präsentieren. Doch auf Grund der
Verfolgung durch die Sentinel mussten Ria, Tomma, Aureljo, Tycho und
Dantorian den Clan zum Schein verlassen und in die Stadt unter der Stadt
ziehen. An dem Zeitpunkt setzt "Die Verschworenen" an. Während alle
sich unter der Erde eingesperrt fühlen, nachdem sie gerade erst die
Freiheit der Außenwelt kennengelernt hatten, sucht Ria in einer alten
Bibliothek nach Informationen über "Jordans Chronik", die der Schlüssel
zu all den Rätseln zu sein scheint. Sie findet auch einzelne Seiten,
doch diese werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Aureljo und
Dantorian feilen währenddessen an ihrem Plan, sich in der Sphäre Vienna 2
einzuschleichen, um Informationen über die Verschwörung zu sammeln und
das - wie sie es einschätzen - Missverständnis aus der Welt zu schaffen.
Mit Sandor genießt Ria Momente in der Natur und die beiden kommen sich
näher - doch Sandors Position als Than der Schwarzdornen steht schon
bald zwischen ihnen...
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Da der erste
Band schon ein Jahr zurückliegt, hatte ich befürchtet, ich könnte mich
schwer tun, mich wieder in die Geschichte einzufinden, aber diese
Bedenken waren schon am Ende der ersten Seite vergessen: Ganz
unaufdringlich ruft die Autorin uns im Laufe des Buchanfangs in
Erinnerung, was passiert ist und wer dabei welche Rolle gespielt hat. So
ist der Einstieg ruhig, doch schon bald geht es mit neuen Rätseln
weiter, indem Ria die erste Chronikseite findet und kurz darauf häufen
sich die Ereignisse. Allgemein hält das Buch meiner Meinung nach eine
perfekte Balance zwischen Spannung, Tempo, Action und ruhigen Momenten,
Zeit für Charakterzeichnung und vor allem Etablierung der dystopischen
Welt, ihrem Aufbau und ihrer Organisation. Letzteres fand ich
unglaublich interessant, da so eine im deutschsprachigen Raum angelegte
Dystopie für mich eben auch absolutes Neuland ist, spielen diese doch
zur Zeit in gefühlt 90% der Fälle auf dem Gebiet der Vereinigten
Staaten. So habe ich es genossen, einfach an Rias Alltagsleben
teilzuhaben und dabei eine bessere Vorstellung von der Welt zu bekommen,
in der die Geschichte sich abspielt.
Die Handlung ist meines
Erachtens unglaublich intelligent aufgebaut: Hier liegt mal ein kleines
Informations-Puzzleteil, dort ein anderes, man stellt Theorien auf,
fühlt sich in ihnen bestärkt, muss sie plötzlich doch verwerfen, weil
wieder alles ganz anders aussieht. Man ist als Leser immer angeregt,
mitzurätseln, Verbindungen zu suchen, zu entscheiden, kann man diesem
Menschen trauen oder eher nicht? Wenn Rätsel aufgelöst werden, fallen
einem plötzlich die Hinweise auf, die überall am Wegesrand vorhanden
waren, denen man jedoch nicht genug Beachtung geschenkt hat - und das
trotz intensivem Mitdenkens.
Dabei sind die Charaktere alle authentisch und dreidimensional, was sie umso undurchschaubarer und unvorhersehbarer macht.
Ria,
die ich als Hauptcharakter im ersten Bend respektierte und auf deren
Seite ich natürlich auch war, da man das alles ja durch ihre Augen
erlebt, mausert sich in diesem Band zu einer meiner Lieblingsfiguren, in
die ich mich gut hineinfühlen kann. In ihrem Wechsel zwischen der
antrainierten Kühle und Distanz der Sphären und der Menschlichkeit, die
sie in der Außenwelt entwickelt, wobei sie lernt, ihrem Bauchgefühl zu
vertrauen und Gefühle zuzulassen, ist sie durchweg sehr glaubwürdig. Und
als sie in einer Situation Nachrichten so übermitteln muss, dass
Außenstehende sie nicht verstehen können und sie zu schlichtweg genialen
Umschreibungen greift, konnte ich nur noch mit vor Staunen offenem Mund
vor dem Buch sitzen und die Autorin dafür bewundern, was ihr da alles
eingefallen ist.
Zwischen all der Spannung und dem Rätsellösen
ist immer genug Raum für ruhige, nachdenkliche Momente, in denen z.B.
für uns ganz alltägliche Natursituationen wie ein sich im Wasser
spiegelnder Sonnenaufgang beschrieben werden, die für Ria ganz besonders
magisch sind. Momente, die wir eigentlich jederzeit erleben könnten,
dies aber nie so richtig nutzen und zu schätzen wissen. In diesen Szenen
stimmt das Buch durchaus nachdenklich in Bezug auf das eigene Leben.
Ich
könnte noch vieles schreiben über dieses Buch, das meine Erwartungen
noch übertroffen hat, in dessen Welt ich mich (obwohl sie so gefährlich
und mysteriös ist) unglaublich wohl gefühlt habe und dessen Twists mich
immer wieder überrascht und zum Umdenken gezwungen haben. Oft ist es in
Trilogien so, dass der Mittelband weniger gut ist als die beiden
anderen, doch das ist hier überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil, die
Spannung des ersten Bandes wird weitergetragen und mit viel mehr
Hintergrundwissen, neuen Enthüllungen und Rätseln ergänzt. Hätte ich
mich nicht gezwungen, mir etwas Zeit zu lassen, um das Buch mehr
auszukosten, ich wäre sicher nach einem Tag fertig gewesen, denn es
liest sich einfach unglaublich gut.
Wer "Die Verschworenen" noch
nicht gelesen hat, der sollte das unbedingt tun, denn ich bin davon
restlos begeistert. Es scheint mir, dass wann immer ich denke, ich
könnte Ursula Poznanskis Bücher nicht noch mehr lieben, das jeweils
nächste mich wieder vom Gegenteil überzeugt. Und jetzt heißt es wieder
ein ganzes Jahr warten - doch ich bin absolut sicher, dass es das wert
sein wird :)
Bewertung: 5 von 5 Eulen
Eure Fine
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