Donnerstag, 31. Oktober 2013

Ursula Poznanski: "Die Verschworenen"


Ursula Poznanskis aktuelles Buch "Die Verschworenen" ist die Forsetzung von "Die Verratenen" - des Buches, das mir letztes Jahr einige schlaflose Nächte bereitete und nach dessen Ende ich verzweifelt recherchierte, wie lange ich auf den zweiten Band würde warten müssen (es wurde ein ganzes, nahezu unerträglich langes Jahr).
Dementsprechend aufgeregt war ich, als ich "Die Verschworenen" dann endlich in den Händen hielt. Und eins gleich vorab: das Warten hat sich auf jeden Fall gelohnt!





"Die Kinder sind ein bebender Schatten im ersten Licht der Morgendämmerung."





Die sechs Verratenen, die nach ihrer Flucht beim Schwarzdorn-Clan untergekommen waren, erlebten dort zum ersten Mal, wie das Leben in der Außenwelt tatsächlich ist, lernten die Natur und Überreste aus der Vergangenheit zu schätzen und erfuhren vor allem, dass die Sphären nicht die Weltverbesserer sind, als die sie sich ihren Bewohnern gegenüber präsentieren. Doch auf Grund der Verfolgung durch die Sentinel mussten Ria, Tomma, Aureljo, Tycho und Dantorian den Clan zum Schein verlassen und in die Stadt unter der Stadt ziehen. An dem Zeitpunkt setzt "Die Verschworenen" an. Während alle sich unter der Erde eingesperrt fühlen, nachdem sie gerade erst die Freiheit der Außenwelt kennengelernt hatten, sucht Ria in einer alten Bibliothek nach Informationen über "Jordans Chronik", die der Schlüssel zu all den Rätseln zu sein scheint. Sie findet auch einzelne Seiten, doch diese werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten. Aureljo und Dantorian feilen währenddessen an ihrem Plan, sich in der Sphäre Vienna 2 einzuschleichen, um Informationen über die Verschwörung zu sammeln und das - wie sie es einschätzen - Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Mit Sandor genießt Ria Momente in der Natur und die beiden kommen sich näher - doch Sandors Position als Than der Schwarzdornen steht schon bald zwischen ihnen...

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Da der erste Band schon ein Jahr zurückliegt, hatte ich befürchtet, ich könnte mich schwer tun, mich wieder in die Geschichte einzufinden, aber diese Bedenken waren schon am Ende der ersten Seite vergessen: Ganz unaufdringlich ruft die Autorin uns im Laufe des Buchanfangs in Erinnerung, was passiert ist und wer dabei welche Rolle gespielt hat. So ist der Einstieg ruhig, doch schon bald geht es mit neuen Rätseln weiter, indem Ria die erste Chronikseite findet und kurz darauf häufen sich die Ereignisse. Allgemein hält das Buch meiner Meinung nach eine perfekte Balance zwischen Spannung, Tempo, Action und ruhigen Momenten, Zeit für Charakterzeichnung und vor allem Etablierung der dystopischen Welt, ihrem Aufbau und ihrer Organisation. Letzteres fand ich unglaublich interessant, da so eine im deutschsprachigen Raum angelegte Dystopie für mich eben auch absolutes Neuland ist, spielen diese doch zur Zeit in gefühlt 90% der Fälle auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten. So habe ich es genossen, einfach an Rias Alltagsleben teilzuhaben und dabei eine bessere Vorstellung von der Welt zu bekommen, in der die Geschichte sich abspielt.

Die Handlung ist meines Erachtens unglaublich intelligent aufgebaut: Hier liegt mal ein kleines Informations-Puzzleteil, dort ein anderes, man stellt Theorien auf, fühlt sich in ihnen bestärkt, muss sie plötzlich doch verwerfen, weil wieder alles ganz anders aussieht. Man ist als Leser immer angeregt, mitzurätseln, Verbindungen zu suchen, zu entscheiden, kann man diesem Menschen trauen oder eher nicht? Wenn Rätsel aufgelöst werden, fallen einem plötzlich die Hinweise auf, die überall am Wegesrand vorhanden waren, denen man jedoch nicht genug Beachtung geschenkt hat - und das trotz intensivem Mitdenkens.
Dabei sind die Charaktere alle authentisch und dreidimensional, was sie umso undurchschaubarer und unvorhersehbarer macht.
Ria, die ich als Hauptcharakter im ersten Bend respektierte und auf deren Seite ich natürlich auch war, da man das alles ja durch ihre Augen erlebt, mausert sich in diesem Band zu einer meiner Lieblingsfiguren, in die ich mich gut hineinfühlen kann. In ihrem Wechsel zwischen der antrainierten Kühle und Distanz der Sphären und der Menschlichkeit, die sie in der Außenwelt entwickelt, wobei sie lernt, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen und Gefühle zuzulassen, ist sie durchweg sehr glaubwürdig. Und als sie in einer Situation Nachrichten so übermitteln muss, dass Außenstehende sie nicht verstehen können und sie zu schlichtweg genialen Umschreibungen greift, konnte ich nur noch mit vor Staunen offenem Mund vor dem Buch sitzen und die Autorin dafür bewundern, was ihr da alles eingefallen ist.

Zwischen all der Spannung und dem Rätsellösen ist immer genug Raum für ruhige, nachdenkliche Momente, in denen z.B. für uns ganz alltägliche Natursituationen wie ein sich im Wasser spiegelnder Sonnenaufgang beschrieben werden, die für Ria ganz besonders magisch sind. Momente, die wir eigentlich jederzeit erleben könnten, dies aber nie so richtig nutzen und zu schätzen wissen. In diesen Szenen stimmt das Buch durchaus nachdenklich in Bezug auf das eigene Leben.

Ich könnte noch vieles schreiben über dieses Buch, das meine Erwartungen noch übertroffen hat, in dessen Welt ich mich (obwohl sie so gefährlich und mysteriös ist) unglaublich wohl gefühlt habe und dessen Twists mich immer wieder überrascht und zum Umdenken gezwungen haben. Oft ist es in Trilogien so, dass der Mittelband weniger gut ist als die beiden anderen, doch das ist hier überhaupt nicht der Fall. Im Gegenteil, die Spannung des ersten Bandes wird weitergetragen und mit viel mehr Hintergrundwissen, neuen Enthüllungen und Rätseln ergänzt. Hätte ich mich nicht gezwungen, mir etwas Zeit zu lassen, um das Buch mehr auszukosten, ich wäre sicher nach einem Tag fertig gewesen, denn es liest sich einfach unglaublich gut.

Wer "Die Verschworenen" noch nicht gelesen hat, der sollte das unbedingt tun, denn ich bin davon restlos begeistert. Es scheint mir, dass wann immer ich denke, ich könnte Ursula Poznanskis Bücher nicht noch mehr lieben, das jeweils nächste mich wieder vom Gegenteil überzeugt. Und jetzt heißt es wieder ein ganzes Jahr warten - doch ich bin absolut sicher, dass es das wert sein wird :)

Bewertung: 5 von 5 Eulen


Eure Fine

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