Donnerstag, 21. November 2013

Leserpreis 2013

 

Auf Lovelybooks läuft zur Zeit die Abstimmung zum Leserpreis 2013 in vielen verschiedenen Kategorien. Im Bereich Jugendbuch ist u.A. "Die Verschworenen" von Ursula Poznanski nominiert, über das ich vor einer Weile geschrieben habe. Außerdem kann man Ursula Poznanski als beste Autorin wählen. Ich finde, sie hätte es auf jeden Fall verdient :) Wenn ihr also Lust habt, mitzumachen, dann folgt einfach diesem Link!


Mittwoch, 6. November 2013

Wolfgang Herrndorf: "Tschick"


Da an "meinem" Theater am Wochenende eine Inszenierung von "Tschick" seine Premiere feiern wird, habe ich das Buch, das schon so lange in meinem Regal stand, jetzt endlich mal gelesen. Und bin begeistert.



"Als Erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee."



In "Tschick" geht es um den 14jährigen Maik Klingenberg, der aus eher wohlhabenden Verhältnissen stammt und in Berlin lebt, wo er auch das Gymnasium besucht. In seiner Klasse gilt er als Langweiler und Außenseiter, und seine Eltern interessieren sich kaum für ihn, weshalb er sehr viel Zeit allein verbringt. Dann kommt Andrej Tschichatschow in seine Klasse, der mit seinem Bruder aus Russland nach Deutschland gekommen ist und innerhalb kurzer Zeit den Aufstieg von der Förderschule bis aufs Gymnasium geschafft hat. Tschick, wie der Junge der Einfachheit halber getauft wird, hat mit seiner selbstbewussten, geheimnisvollen Art schon bald den Ruf weg, bestimmt mit der Russenmafia in Verbindung zu stehen. Die Schüler meiden ihn und Tschick unternimmt auch keinerlei Versuche, sich mit ihnen anzufreunden. Bis die Sommerferien beginnen, die Maik, von seinen Eltern zurückgelassen, allein zu Hause verbringen muss. Und dann steht Tschick mit einem geklauten Auto vor der Tür und drängt Maik, mit ihm in die Walachei zu fahren. Es ist der Beginn eines Roadtrips, den sie nie mehr vergessen werden...

Klickt hier für mehr Infos :)





"Tschick" hat mich wirklich begeistert - und wenn ich ehrlich bin, hat mich das überrascht. Denn mit seinen gerade mal 254 Seiten in meiner Taschenbuchausgabe ist es nicht gerade ein für mich typisches Buch, liebe ich doch sonst eher die langen mit viel Zeit für Charakterentwicklung. Aber die Geschichte mit ihrem sympathischen Erzähler Maik und dem mysteriösen, liebenswerten Tschick auf der anderen Seite hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Die Freundschaft dieser zwei so unterschiedlichen, aber doch irgendwie auch so ähnlichen Jungen entstehen zu sehen, ist absolut herzerwärmend. Beide Charaktere mochte ich auf Anhieb, weshalb ich auch von Anfang an mitfieberte.
Sowohl der Stil, in dem die Geschichte erzählt wird (als Maiks Erinnerungen) als auch die Sprache der beiden im Dialog wirkt auf mich sehr authentisch. Ich mag dieses Schwanken zwischen umgangssprachlichen Formen (wie z.B. Maiks Angewohnheit, Hauptsätze mit "weil" einzuleiten) und den vorsichtigen Versuchen, schöne Momente poetisch zu beschreiben. Auch in dem Verhalten der beiden Protagonisten erlebt man Momente, in denen sie wie kleine, ausgelassene Kinder sind, und dann ganz plötzlich solche, in denen sie tiefgründig über Liebe, Vergänglichkeit, das Leben nachdenken (wer das Buch gelesen hat, erinnert sich da sicher an die Szene, in der die beiden den Nachthimmel beobachten). Diese Hin- und Hergerissenheit zwischen einer kindlichen Neugier und Naivität und einer erwachsenen Reife und Nachdenklichkeit charakterisiert für mich perfekt die Jugend und das Erwachsenwerden.
Beim Lesen von "Tschick" durchlebte ich unglaublich viele Gefühle. Ich war gerührt davon, wie diese beiden gemeinsam die Welt entdecken und dabei eine Menge über sich selbst lernen, ich war mit den beiden frustriert und wütend, wenn es Probleme gab und habe in vielen Situationen auch richtig herzhaft lachen können.
Die Erlebnisse und Begegnungen der beiden Jungen auf ihrer Reise sind keine spektakulären Highlights, sondern wirken viel mehr wie aus dem Alltag herausgegriffen und sind dabei doch so einzigartig und wichtig. Man erlebt mit, wie Maik und Tschick Leute nach ihrem ersten kurzen Eindruck beurteilen und wie oft sie ihr Bild von den Personen im Nachhinein ändern müssen und man kann sich selbst fragen: Gehe ich wirklich vorbehaltlos auf meine Mitmenschen zu? Lasse ich mich nicht auch manchmal dazu verleiten, Vorurteile zu entwickeln? Lohnt es sich nicht eigentlich bei allen Menschen, hinter die Fassade zu sehen?
Aus all diesen Gründen ist "Tschick" ein lehrreiches, schönes, unterhaltsames, spannendes Buch. Doch eins muss ich trotz allem kritisieren: ich finde, es ist zu kurz. Nicht allein auf die "ich wünschte, es würde länger gehen"-Art von Fans eines Buches, sondern eher, weil mir das Ende zu überstürzt kommt. Ich hätte es sinnvoll gefunden, die wichtigsten Figuren zum Ende hin noch einmal zu erleben, um wirklich festmachen zu können, ob und wie sie sich geändert haben, wie sie nun miteinander umgehen, was die ganze Geschichte für Folgen für die Charaktere hat. Bei den meisten Figuren wird dies nur aus der Ferne von Maik schnell erzählt, statt sie noch einmal in die Handlung einzubinden, was den Abschluss viel runder gemacht hätte.
Insgesamt fällt beim Lesen immer mal wieder ein Zug des Buches auf, der an Klassiker erinnert, an Huck Finn und Tom Sawyer zum Beispiel oder an Salingers "Fänger im Roggen". Und tatsächlich ist "Tschick" auf dem besten Weg, ein echter Klassiker zu werden, der in jeder Epoche für die Menschen von hoher Bedeutung ist. So kennt das Buch schon heute keinerlei Altersgrenzen: es kann einfach alle begeistern, von der Uroma bis zum kleinen Jungen. Bei so einer breiten Zielgruppe kann ich das Buch einfach nur jedem empfehlen - ihr werdet es nicht bereuen :)

Bewertung: 4,5 von 5 Eulen (gerundet: 5 von 5)



Eure Fine